Die sogenannten ‚Kulturkriege‘, in der die progressive Entwicklung in Bezug auf die Toleranz von Randgruppen und Minderheiten, der Identifizierung und Abschaffung von systemischen Hürden für eben diese, die Sorge um den Klimawandel, oder einfach die immer noch hinterherhinkende Gleichberechtigung von Frauen pausenlos verteufelt werden, sind ein weiterer Lieblingstummelplatz der rechten Stimmungsmacher.
Im Prinzip bedienen sie sich dabei am gleichen Ekelreflex wie beim Rassismus, um Menschen mit wenig Kontakt zu den oben genannten Themen vorzugaukeln, eben diese trügen Alleinschuld am unmittelbar bevorstehenden Untergang des Abendlandes. Das ist leider vor allem in erzkonservativen Kreisen, in denen aus Mangel an Erfahrung wenig Verständnis für eine bunte Kultur oder ökologische Nachhaltigkeit herrscht, extrem effektiv.
Früher war für diese Menschen zumindest oberflächlich alles besser: Frauen standen hinter dem Herd und akzeptierten ihre Rolle als primärer Kinderversorger, Haussklave und gelegentliches Lustobjekt ohne größere Murren. Schwule, Lesben und (Gott beware) Transsexuelle lebten von Scham und Stigma umgeben im Wandschrank, von wo aus ihre Existenz, geschweige denn ihre Präsenz in der Gesellschaft, keine unbequemen Gefühle im geregelten Leben der Musterbürger provozierte. Und schlussendlich wurde man nicht täglich mit den Auswirkungen des Klimawandels, dessen drohenden Konsequenzen für den eigenen Lebensstil, sowie den damit verbundenen latenten Schuldgefühlen konfrontiert.
Das alles ist und war natürlich Schall und Rauch, denn das bloße Unterdrücken der mit diesen Themen zusammenhängenden gesellschaftlichen Probleme löst sie noch lange nicht. Gleichberechtigung und Toleranz gegenüber Anderen ist ein essentieller Schritt auf dem Weg zu universellen Menschenrechten, welche wiederum die Basis für eine auf Dauer funktionierende Gesellschaft sind.
Einzugestehen, dass diese auch bei uns bei weitem noch nicht flächendeckend umgesetzt sind, ist kein Charakterfehler, und erst recht kein gesellschaftszersetzender Virus. Es ist einfach das Bestreben alle teilhaben zu lassen, auch wenn sie sich anders als gewohnt kleiden, ausdrücken und lieben. Toleranz dafür tut keinem Menschen weh, und wem es zu viel ist, ein Wunschpronom zu nutzen, der soll es halt lassen und stolz darauf sein, jemandem der sie hätte gebrauchen können diese kleine Geste der Menschlichkeit vorenthalten zu haben. (Komischerweise schaffen es diese Leute aber trotzdem, im täglichen Leben ‚Du‘ und ‚Sie‘ korrekt anzuwenden).
Überlicherweise kommen an genau diesem Punkt die ekelhaften Scheinbehauptungen, dass LGBTQ Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung eine Gefahr für andere, besonders Kinder, darstellen. Bei so einer eklatanten Verdrehung der Tatsachen fällt es teilweise schwer, den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren.
Es gibt keinerlei Indizien dafür, dass irgendeine Gefahr von diesen Menschen ausgeht, es sei denn man definiert sich das bloße Bewusstsein über ihre Existenz als solches. Sexuelle Aufklärung wird bewusst mit vermeintlicher Indoktinierung vermischt, um Eltern glauben zu machen, ihre Kinder würden durch gezielte Gehirnwäsche in öffentlichen Institutionen von hetero- auf homosexuell umgepolt bzw. dazu animiert, von nun an das Katzenklo statt die normale Toilette zu nutzen. Mythen und Sagen aus dem sowieso suspekten Internet scheinen das Ganze noch zu unterstreichen, auch wenn niemand in der Lage ist, belegbare Fakten auf den Tisch zu legen.
Die daraus resultierende elternseitige Panik macht sich die Rechte geschickt zu nutzen, auch wenn schlussendlich nichts als eine endlose Kette von Bullshit dahinter steht. Aber eine effektive Lüge hat den Erball bekannterweise schon zweimal umrundet, bevor die Wahrheit sich die Schuhe zugebunden hat; das Ziel wird damit erreicht.
Schlussendlich kann man auch an dieser Stelle wieder einmal die rechtspopulistische Masche recht einfach bloßstellen: Wenn man sich am rechten Rand wirklich so viel Sorgen über die Sicherheit unserer Kinder vor sexuellen Übergriffen machen würde, warum wettert man dann nicht täglich gegen die katholische Kirche und deren Dauerschleife an Mißbrauchskandalen? Es gibt mehr als genug belegte Fälle in genau der Institution, die tiefer und länger als alle anderen in unserer Gesellschaft verwurzelt ist. Alle wissen es, und jeder darf glauben was er will, aber den Restposten des römischen Imperiums als Institution zu kritisieren ist politisch nicht opportun, auch wenn der Einfluß der Kirchen durch mehr rationelle Gedankengänge in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurückgegangen ist.
Das gilt vor allem, wenn man sich in dessen konservativen Windschatten noch ein paar Sympathiepunkte bei streng gläubigen Menschen erhaschen möchte, die es den Rechtspopulisten tatsächlich abkaufen, religiösen Werte im Sinne der christlichen Lehre zu repräsentieren.